Windräder: Gefahr für Fledermäuse erkennen

Rotoren von Windkraftanlagen können für Fledermäuse zur Gefahr werden. Im Rahmen eines vom BFE unterstützten Forschungsprojekts wurde ein Detektionssystem auf der Grundlage von Infrarot-Kameras entwickelt. Dieses erkennt und verfolgt die nachtaktiven Tiere mit hoher Zuverlässigkeit. Gestützt auf das Tracking können Betreiber von Windkraftanlagen Schutzmassnahmen ergreifen.

Windräder
Quelle: iStock

Die Produktion erneuerbarer Energie und der Schutz von Fauna und Flora lassen sich nicht immer unter einen Hut bringen. Stehen die beiden Anliegen gegeneinander, gehen mitunter die Emotionen hoch. Um so wichtiger sind Lösungen, die gute Kompromisse ermöglichen. In einem Spannungsfeld stehen auch Windkraftanlagen und Fledermäuse. Windkraftanlagen stellen wie andere Energieerzeugungsanlagen einen Eingriff in die Natur dar, in dem sie beispielsweise die Jagdgebiete von Fledermäusen beeinträchtigen. Auch können die Anlagen für die Tiere direkt zur Gefahr werden, wenn sie mit einem Rotor kollidieren.

Bisherige Beobachtungen zeigen, dass das Gefahrenpotenzial differenziert beurteilt werden muss: Kollisionen passieren nicht in jedem Windpark, und selbst innerhalb eines Windparks sind die einzelnen Windkraftanlagen mitunter sehr unterschiedlich stark betroffen. «Daher ist es wichtig, jene Windräder zu identifizieren, wo Probleme wirklich auftreten, und für sie eine Lösung zu finden», sagt Valère Martin, Inhaber der Firma Swiss Wildlife Company aus La Chaux-de-Fonds, die sich auf die Entwicklung von technischen Systemen zum Schutz von Vögeln und Fledermäusen spezialisiert hat.

Monitoring im Betrieb

Wer heute in der Schweiz eine Windkraftanlage errichten will, muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorlegen, die unter anderem dem Schutz der Fledermäuse Rechnung trägt. Allerdings zeigen die Erfahrungen, dass mit einer UVP nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach Inbetriebnahme Fledermaus-Kollisionen auftreten, wie Valère Martin sagt: «Es kann sein, dass Windräder Insekten anlocken, von denen sich Fledermäuse ernähren, und das zieht die Tiere an. Das muss aber nicht sein; in manchen Fällen sind nach dem Bau auch gar keine Fledermäuse unterwegs. Stellt man Kollisionen fest, können Gegenmassnahmen ergriffen und die Windräder in den Gefahrenzeiten abgestellt werden.»

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Wärmebildkamerabild
Eine Wärmebildkamera detektiert eine Fledermaus: Weisser Punkt in der linken Bildmitte.
Quelle: Valère Martin
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Wärmebildkamerabild
Eine Wärmebildkamera detektiert fünf Vögel: Graureiher, wie Fachpersonen aufgrund der Form feststellen.
Quelle: Valère Martin

Um Fledermaus-Kollisionen während des Betriebs einer Windkraftanlage festzustellen, wird bisher im Bereich der Anlage nach toten Tieren gesucht. Diese Methode ist indes nicht zuverlässig, weil nicht gewährleistet ist, dass alle Kadaver gefunden werden. Zudem ist sie mit erheblichem Aufwand verbunden, da über einen längeren Zeitraum gesucht werden muss, sollen aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden.

Detektion mit Infrarotstrahlung

Im Rahmen eines vom Bundesamt für Energie unterstützten Forschungsprojekts wurde nun nach einer alternativen Methode gesucht, um Fledermäuse im Umfeld von bestehenden Windkraftanlagen zu detektieren. Federführend war Valère Martin, Unterstützung leisteten Forscherinnen und Forscher der Fachhochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt (HEIG-VD) in Yverdon-les-Bains.

Nachtaufnahme einer Fledermaus
Nachtaufnahme einer Fledermaus (links über der Laterne) mit einer optischen Kamera, die also auch im Bereich des sichtbaren Wellenspektrums arbeitet. Im Forschungsprojekt kamen dagegen Kameras zum Einsatz, die Wärmestrahlung detektieren. Diese besteht aus elektromagnetischen Wellen im Infrarot-Bereich und ist für das menschliche Auge unsichtbar.
Quelle: Valère Martin

Das neu entwickelte Detektionssystem besteht aus mehreren Komponenten. Im ersten Schritt spürt ein Wärmedetektor Fledermäuse auf, die sich im Umfeld des Windrades bewegen. Sobald ein Tier entdeckt wird, wird eine thermische Kamera zugeschaltet, die 150 bis 200 Meter vom Windrad aufgestellt ist. Die Wärmebildkamera hat die Aufgabe, die Flugbahn der entdeckten Fledermaus zu verfolgen. Damit sie das Tier zuverlässig «tracken» kann, muss sie der schnellen Flugbewegung des Tieres folgen. Man kann sich diese Nachverfolgung vorstellen wie ein nachgeführter Scheinwerferkegel von 10 bis 30 Meter Durchmesser; allerdings sendet die Kamera kein sichtbares Licht aus, sondern registriert die Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) des Tieres. Die Nachführung der Kamera erfolgt durch zwei Motoren, deren Steuerung an der HEIG-VD entwickelt wurde. Dank der Nachverfolgung lässt sich feststellen, ob die Fledermaus wieder vom Windrad weggeflogen ist oder mit dem Rotor kollidierte.

Analyse der Flugbahn

Um die Zuverlässigkeit der Erkennung (Abgrenzung gegen Vögel und atmosphärische Artefakte wie beispielsweise Wolken) sicherzustellen, wird die Fledermaus-Detektion in der Tracking-Phase durch eine zweite, ebenfalls von zwei Motoren bewegte Wärmebildkamera temporär unterstützt. Diese arbeitet in einem anderen Frequenzbereich und nutzt ein Beleuchtungssystem im Infrarot-Bereich. Diese Kamera verbessert die Detektion bei ungünstigen Wetterverhältnissen (wie z.B. hohe Luftfeuchtigkeit). Die von beiden Kameras aufgezeichneten Flugdaten enthalten Informationen nicht nur über allfällige Kollisionen. Aus ihnen können Fachpersonen zum Beispiel auch ableiten, ob es sich um eine Fledermaus oder einen Vogel handelt. In der praktischen Anwendung arbeitet das Detektionssystem vollautomatisch und kann rund um die Uhr eingesetzt werden.

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Wärmebild von Fledermaus
Die Schwierigkeit besteht darin, die Fledermäuse von anderen Objekten mit Wärmestrahlung (Vögel, Flugzeuge, Wolken) zu unterscheiden. Hier befindet sich eine Fledermaus rechts über der Strassenlaterne. Durch Kolorierung des Wärmebildes wird das Tier besser sichtbar.
Quelle: Valère Martin
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Kamera für Nachtaufnahme
Am Tag können Fledermäuse leicht fotografiert werden. Allerdings sind Fledermäuse nachtaktiv und können dann mit einer klassischen Kamera nicht erfasst werden. Der Einsatz von Blitz und anderen Formen der Beleuchtung kommt nicht in Frage, weil das die Tiere (und ggf. auch die Anwohner) stören würde.
Quelle: Valère Martin

Das System wurde von September bis Ende Oktober 2024 an einem Ort mit einer Fledermaus-Population (aber ohne Windrad) getestet. Die Bilanz von Valère Martin: «Das System funktioniert sehr gut und erkennt die Fledermäuse zuverlässig. Das gilt dank der zweiten Kamera auch bei nebligem Wetter.» Das System wurde für kurze Zeit zusätzlich bei einem Windpark eingesetzt. Dort wurden keine Fledermäuse gesichtet. Eine Validierung des Systems ist in Planung. Dabei sollen die Tracking-Daten und die beobachteten Kollisionen mit dem Befund einer Kadaver-Suche kombiniert werden.

Auch Vögel werden erkannt

Das Detektionssystem liegt bisher als Prototyp vor. Bis zu einem kommerziellen Gerät muss geprüft werden, ob die Algorithmen bei allen atmosphärischen Bedingungen wie erwartet funktionieren. Zudem soll ein Modell entwickelt werden, das den Betreibern des Detektionsgeräts abhängig von den aktuellen Wetterverhältnissen sagt, wie nahe an der Windkraftanlage die Infrarot-Kameras positioniert werden sollen. Auch muss das Detektionssystem für den Einsatz im Feld noch robuster ausgelegt werden. Valère Martin plant, Betreibern von Windkraftanlagen mit dem Detektionssystem eine Dienstleistung anzubieten. Das System wurde für die Erkennung von Fledermäusen entwickelt, kann aber auch Vögel detektieren und hat somit ein breites Einsatzgebiet.

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Detektionssystem mit Infrarot-Kameras
Testanlage, mit der geprüft wurde, ob sich Objekte abhängig von Grösse, Form und Farbe mit Infrarotstrahlung erkennen lassen.
Quelle: Valère Martin
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Elektronikschrank für die Detektionsanlage
Elektronikschrank für die Detektionsanlage.
Quelle: Valère Martin

Der Schlussbericht zum Projekt «AMM-Fauna – surveillance autonome par capteurs multiples des chauves-souris pour évaluer les collisions et les vols d'évitements à proximité des parcs éoliens» ist in französischer Sprache abrufbar unter folgendem Link: aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=49520

bfe.admin.ch

Detektionsmethoden

Für die Erkennung von Fledermäusen und Vögeln im Umfeld von Windkraftanlagen können Radaranlagen, bioakustische Methoden oder Infrarot-Kameras eingesetzt werden. Das Forschungsprojekt hat sich auf die Nutzung von Infrarot-Kameras konzentriert und ein System mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung angestrebt.

Statt einer verlässlichen Detektion der Tiere kommen heute Wahrscheinlichkeitsmodelle zum Einsatz, welche die Gefahr von Fledermaus-Kollisionen anhand bestimmter Wetterparameter (Wind, Temperatur) abzuschätzen versuchen. Diese Modelle führen aber mitunter zu unnötigen temporären Abschaltungen von Windkraftanlagen.