Arbeitsmethoden und Elektro-PSA

Die Gefahren der Elektrizität werden oft unterschätzt, selbst von elektrotechnisch geschultem Personal. Dabei ist das Risiko, bei einem Elektrounfall das Leben zu verlieren, 50-mal höher als bei anderen Unfällen. Denn in besonderen Situationen fallen Arbeiten im Umfeld von Niederspannungs-Installationen unter die Arbeitsmethode 3 (Arbeiten unter Spannung), die mit einem erhöhten Gefahrenpotenzial für die Elektrofachperson einhergeht.

Arbeiten unter Spannung
Quelle: Electrosuisse

Das Bedienen einer elektrischen Anlage wird keiner Arbeitsmethode zugeordnet. Von Bedienen wird gesprochen, wenn die Tätigkeit von einem sicheren Standort aus erfolgt und Personen auch ohne Schutzausrüstung bei einem Defekt geschützt und sicher sind. Ein Defekt würde nicht zu einem Totalschaden an der Anlage führen. Typische Bedienungstätigkeiten sind das Handhaben von Sicherungs- und Stecksystemen, welche für Laien konstruiert wurden, und das Betätigen von Schaltern sowie das Bedienen von Anlagen, welche keine elektrischen Vorkenntnisse benötigen.

Hingegen wird jede Tätigkeit, welche eine elektrische Gefahr bergen kann, einer der drei Arbeitsmethoden zugeteilt. Von der Arbeitsmethode 1 wird gesprochen, wenn an einer spannungslos geschalteten Anlage gearbeitet wird und/oder das Berühren von einem spannungsführenden Teil ausgeschlossen werden kann. Die Arbeitsmethode 2 umfasst dagegen alle Arbeiten, bei denen die Annäherungszone tangiert wird und ein unabsichtliches, zufälliges Berühren eines spannungsführenden Teils möglich ist. Bei der Arbeitsmethode 3 wird das spannungsführende Teil mit einem Werkzeug oder mit Körperteilen berührt.

Wichtig: Wenn immer möglich muss nach der Arbeitsmethode 1 «Arbeiten im spannungsfreien Zustand» gearbeitet werden. Um korrekt nach den +5-Sicherheitsregeln spannungslos schalten zu können, muss aber häufig vorgängig die Arbeitsmethode 2 oder 3 angewendet werden.

Arbeitsmethoden
Die drei Arbeitsmethoden bei Niederspannungsinstallationen.
Quelle: Electrosuisse

Regel +1: Ausschalten

Um nach der Arbeitsmethode 1 arbeiten zu können, muss die Anlage spannungslos geschalten werden. Erfolgt das Ausschalten mit einer NH-Sicherung oder durch einen Leistungsschalter, muss eine Elektro-PSA verwendet werden, auch in einer störlichtbogengeprüften Anlage. Denn beim Schalten einer NH-Sicherung kann ein Störlichtbogen entstehen. Das Schalten von Leistungsschaltern kann auch in störlichtbogengeprüften Anlagen zu heissen Rauchgasen im Falle eines Kurzschlusses führen, die die bedienende Person unmittelbar gefährden. Nur eine PSA schützt vor Verbrennungen.

Regel +2: Gegen Wiedereinschalten sichern

Das Sichern fällt meistens unter die Arbeitsmethode 1 und kann gefahrlos durchgeführt werden. Wird mit isolierten Trennmessern gearbeitet, kann diese Tätigkeit jedoch unter die Arbeitsmethode 2 fallen, je nach Konstruktion der Anlage.

Regel +3: Auf Spannungsfreiheit prüfen

Ist das spannungsführende Teil, an dem gemessen wird, fingersicher (IP 2X oder IPXXB) geschützt, wird nach der Arbeitsmethode 2 gearbeitet. Weist das spannungsführende Teil keinen IP 2X-Schutz auf (Öffnungen > 12,5 mm), so muss nach der Arbeitsmethode 3 (AuS1) gearbeitet werden. Diese Messungen dürfen nur von Montageelektrikern EFZ und Elektroinstallateuren EFZ vorgenommen werden. Lernende nach dem ÜK-3-Kurs (überbetrieblicher Kurs im 3. Lehrjahr), welche zusätzlich die Bedingungen der SNG 491000-4052 (Schweizer Guideline 491000, Blatt 4052) erfüllen, dürfen diese Messungen ebenfalls durchführen.

Regel +4: Erden und Kurzschliessen

Wird die Anlage mit einem Erdungsset geerdet und kurzgeschlossen, fällt diese Arbeit unter die Arbeitsmethode 3. Auf das Erden und Kurzschliessen kann in der Niederspannungsanlage verzichtet werden, wenn keine Gefahr durch Spannungsübertragungen oder Rückspeisung besteht.

Regel +5: Gegen benachbarte unter Spannung stehende Teile schützen

Das Anbringen einer Abdeckung fällt immer unter die Arbeitsmethode 3. Ist die Abdeckung erstellt, kann danach nach der Arbeitsmethode 2 gearbeitet werden.

+5-Sicherheitsregeln
Die +5-Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten.
Quelle: Electrosuisse

Montage und Demontage von Abdeckungen

Das Entfernen von Abdeckungen kann meistens der Arbeitsmethode 2 zugeordnet werden. Ist unklar, ob sich spannungsführende Teile hinter einer Abdeckung befinden, die bei der Demontage berührt werden können, so muss eine Persönliche Schutzausrüstung getragen werden.

Bei Verteilungen mit verzinnten Stromschienen oder verzinnten Kabelschuhen können Zinnwhisker wachsen. Zinnwhisker sind feine Fäden, die aus der Zinnlegierung herauswachsen. Sie sind nur bei sehr guten Lichtverhältnissen sichtbar und sehen aus wie Spinnfäden. Diese Fäden oder auch Whisker (Barthaare) genannt sind elektrisch leitend. Bei einer ausreichenden Länge kann der Luftzug bei der Montage oder Demontage der Abdeckung die Lage der Haare verändern, was zu einem Kurzschluss in der Verteilung führen kann. Mit einer PSA hingegen ist man gegen den Lichtbogen geschützt.

Wann wird die Elektro-PSA nicht zwingend benötigt?

Ohne Elektro-Schutzausrüstung dürfen nur Arbeiten ausgeführt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

Die Anlage wurde nach den +5-Sicherheitsregeln spannungslos geschaltet

oder

die spannungsführenden Teile im Arbeitsbereich sind durch Abdeckungen mindestens IP 2X oder IP XXB (fingersicher) geschützt, ein Elektrisieren über eine Messspitze oder ein Werkzeug ist ausgeschlossen und eine Fehlmanipulation führt zu keinem Kurzschluss oder Störlichtbogen

oder

wenn mit Körperteilen, Werkzeugen, Ausrüstungen oder Hilfsmitteln der Abstand von 300 mm (bei Niederspannungsanlagen) zu blanken, unter Spannung stehenden Teilen eingehalten wird, bei einer Fehlbewegung die Annäherungszone nicht erreicht werden kann und bei der auszuführenden Tätigkeit auch im Störungsfall kein Lichtbogen entstehen kann.

Fazit

Die Arbeit an elektrischen Anlagen erfordert umfassendes Fachwissen und ständige Aufmerksamkeit, denn keine Person möchte sich bewusst in Gefahr bringen. Um Unfälle zu verhindern, ist es am sichersten, die Anlage gemäss den 5-Finger-Regeln für Wartungs- und Reparaturarbeiten auszuschalten. Eine vorübergehend stillgelegte Maschine oder Anlage ist weitaus weniger problematisch als ein Unfall, der eine Elektrofachkraft betrifft. Falls ein Ausschalten der Anlage nicht machbar ist, muss die Elektrofachkraft angemessene persönliche Schutzausrüstung tragen, um sich vor möglichen Berührungen oder Störlichtbögen zu schützen.

Wann Elektro-PSA
Übersicht: Wann wird eine Elektro-PSA nicht zwingend benötigt.
Quelle: Electrosuisse