Balkonkraftwerke: In Eigenregie Strom erzeugen
Lohnt sich die Anschaffung einer kleinen Photovoltaik-Anlage zur privaten Stromerzeugung? Ein Gastautor von electra.ch hat es ausprobiert – und fasst hier die Erfahrungen mit seiner 600-Watt-Anlage zusammen.
Ich wollte ein sichtbares Zeichen setzen – für mehr Eigenverantwortung in der Energieversorgung und als Beitrag zur Energiewende. Als Elektrofachperson kenne ich die Theorie, aber es war an der Zeit, diese in Eigenregie praktisch umzusetzen. Ein Balkonkraftwerk sollte meinen Energiebezug reduzieren und gleichzeitig zeigen, wie einfach dezentrale Energieerzeugung heute sein kann. Ich entschied mich für ein Komplettset des Herstellers Autosolar, erhältlich bei Digitec Galaxus.
Verzögerte Lieferung
Die Bestellung erfolgte am 30. April 2024, mit dem Versprechen sofortiger Verfügbarkeit (laut Onlineshop «ab Lager»). Die Realität war ernüchternd: Falsch- und Teil-Lieferungen verzögerten die Inbetriebnahme massiv. Erst am 21. August, also fast 16 Wochen später, konnte ich das System vollständig montieren und in Betrieb nehmen. Eine Wartezeit, die nicht zur Dringlichkeit der Energiewende passt.
Einfache Montage und Inbetriebnahme
Positiv hervorheben möchte ich das unkomplizierte Meldeverfahren: Die Gemeinde verlangte keine Anmeldung. Das Elektrizitätswerk stellte ein einfaches Microsoft-Forms-Formular zur Verfügung – einzig zur Kontrolle, dass die Leistung unter 600 Watt bleibt.
Die Montage erfolgte auf meinem Balkon – ein Panel habe ich Richtung Süden, eines Richtung Westen ausgerichtet, als Kompromisslösung im Sinne der Nachbarschaft. Die Panels am Balkongeländer des 1. Obergeschosses in einem steilen 70-Grad-Winkel montiert geben nahezu keinen Schattenwurf auf den Sitzplatz der Nachbarn im Erdgeschoss. Den Mikro-Wechselrichter montierte ich direkt an der Unterkonstruktion. Die DC-Leitung verläuft entlang der Unterkonstruktion, die AC-Leitung führte ich am Balkongeländer zur NUP T13-Aussensteckdose.
Die Bauweise erwies sich als stabil und durchdacht, die Anleitung war intuitiv. Im Set war alles enthalten – mit Ausnahme einer Polsterung zur Abstützung der Konstruktion auf dem Geländer, die ich selbst ergänzte. Die Inbetriebnahme gestaltete sich weitgehend einfach, einzig das WLAN-Signal bereitete anfänglich Mühe – trotz akzeptabler Signalstärke bei Mobilgeräten war der Wechselrichter erst nach einigem Feintuning erreichbar.
Totalausfall von Mikro-Wechselrichter
Von Herbst 2024 bis Frühling 2025 lief das System zuverlässig. Natürlich war die Produktion in den Wintermonaten witterungsbedingt gering, das war zu erwarten. Doch am 2. März 2025 folgte ein Dämpfer: Totalausfall des Mikro-Wechselrichters, ausgelöst durch einen internen Kurzschluss.
Der anschliessende Kundendienstprozess war alles andere als aufschlussreich: Keine klare Zuständigkeit, keine zuverlässige Rückmeldung des Lieferanten und durchs Band Vertröstungen ohne zielführende Lösungsansätze. Erst am 8. Mai 2025 traf der Ersatz-Wechselrichter ein, am 10. Mai konnte die Anlage wieder ans Netz.
Ganz gute Kennzahlen
Bis zum Ausfall produzierte die Anlage 210 kWh. Meine selbst erstellte Jahresprognose liegt bei etwa 430 kWh pro Jahr, was bei einem Gesamtenergiebedarf von 1200 kWh (für eine 3½-Zimmer-Wohnung) eine spürbare Entlastung bringt.
Gehe ich von einem Eigenverbrauch von 70 Prozent aus, beträgt die Amortisationsdauer etwa sechs Jahre – bei einer Garantiezeit von 5 Jahren ein knapper, aber vertretbarer Zeitraum. Mikro-Wechselrichter sind als Ersatzteil ab etwa 100 Franken erhältlich – etwa bei Grossisten oder Baumärkten.
Positives und Negatives
Die Technik überzeugt: Sie ist schnell aufgebaut und ästhetisch ansprechend. Trotz einem Hauch von DIY ist das System professionell genug für den Alltag. Ein gewisses handwerkliches Geschick ist hilfreich, aber kein Muss.
Doch nicht alles lief rund: Die langen Lieferfristen, das mangelhafte Ersatzteil-Management und die schwache Unterstützung im Schadensfall trübten das Bild. Gerade wenn diese Technologie flächendeckend etabliert werden soll, müssen Support und Service dringend nachziehen.
Fazit
Das System an sich ist überzeugend. Es funktioniert, es erzeugt echten Mehrwert – und es motiviert, sich noch stärker mit der eigenen Energieversorgung auseinanderzusetzen. In Zukunft werden solche Anlagen zum selbstverständlichen Bestandteil des urbanen Wohnens gehören. Die Technik ist da – jetzt müssen die Logistik und die Betreuung aufholen. Kurz: Balkonkraftwerk ja, aber nicht mit diesen Anbietern.