E-Auto auf der Langstrecke: Nordsee und wieder zurück

Kann ein Elektrofahrzeug die Freiheit und Unabhängigkeit eines klassischen Verbrenner-Roadtrips bieten? Dieser Frage ging unser Autor nach, indem er eine Reise von der Schweiz bis auf die deutsche Nordseeinsel Norderney unternahm. Nebst technologischen Erkenntnissen versprach die Tour auch die emotionale Erfahrung des modernen, nachhaltigen Reisens.

Auto auf Fähre
Cedric Himmelberger auf der Fähre nach Norderney.
Quelle: Cedric Himmelberger

Die Elektromobilität entwickelt sich rasant – nicht nur im urbanen Raum, sondern auch auf der Langstrecke. Doch wie praktisch ist eine Reise mit einem durchschnittlichen Elektrofahrzeug? Sind genügend Schnellladesäulen vorhanden? Wie lange dauern die Ladestopps? Ist eine solide Planung erforderlich?

Ausgangslage, Infos zum Fahrzeug

Mein Geschäftsfahrzeug, ein VW ID.3 mit einer 55-kWh-Batterie, einer Reichweite von etwa 400 km und einer Ladeleistung von bis zu 120 kW benutze ich seit rund zwei Jahren. Dabei handelt es sich um die Variante mit dem kleineren Speicher.

Reisevorhaben, geplante Tour und Zwischenstopps

Die Route habe ich bewusst in Etappen gestaffelt, um verschiedene Streckenbedingungen und Ladeinfrastrukturen zu testen. Dadurch konnte ich auch die Fahrzeiten mit Zwischenaufenthalten herunterbrechen. Die Etappen waren folgende:

  • Schaffhausen–Köln: 517 km, 5 h 30 min
  • Köln–Norddeich (inkl. Fähre n. Norderney): 358 km, 4 h 30 min
  • Norderney–Maastricht: 422 km, 4 h 39 min
  • Maastricht–Schaffhausen: 603 km, 6 h 35 min

Jede Etappe erforderte eine strategische Ladeplanung, doch der Reiz bestand auch darin, die Reise flexibel und spontan zu gestalten – ohne das bekannte «Tankstellen-Hopping» eines Verbrenners.

Vorbereitung

Zur Vorbereitung gehörten das Installieren relevanter Lade-Apps und das Einholen von Informationen über verschiedene Anbieter. Meist ist der Tarif für das Laden unterwegs vergünstigt, wenn die Apps der Betreiber verwendet werden. Dabei pendelten sich die Kosten bei rund 35 bis 60 ct/kwh ein. Dies entspricht auf die gesamte Wegstrecke ungefähren Stromkosten von rund 120 Euro. Die Kosten für das Benzin eines Verbrenners belaufen sich dabei vermutlich auf das Doppelte, abhängig der Spritpreise.

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Google-Maps-Ausschnitt
Screenshot aus Google Maps: Die 1974 Kilometer lange Strecke soll eine Fahrzeit von 23 Stunden und 52 Minuten in Anspruch nehmen.
Quelle: Cedric Himmelberger
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Schnellladestation
An der Schnellladestation.
Quelle: Cedric Himmelberger

Besonders spannend war die Frage: Würden sich Ladezeiten als Stressfaktor oder als willkommene Pausen im Reiseverlauf erweisen? Meiner Meinung nach ist nach dem Fahren von 350 km, einer Fahrzeit von 3 h eine willkommene Pause von 30 min eine tolle Möglichkeit, um sich zu erholen und eine Toilettenpause einzulegen. Mit der Funktion «Zwischenstopps» und dem Suchbegriff «Ladestation für Elektrofahrzeuge» konnte ich stets die Verfügbarkeit und den Zustand von Ladepunkten mittels Google Maps in Echtzeit recherchieren.

1. Etappe: Schaffhausen–Köln

Der erste Abschnitt war geprägt von Vorfreude und Neugier. Während der Fahrt zeigte sich schnell, dass die Ladepausen keineswegs lästig sind. Stattdessen boten sie Gelegenheiten, neue Orte zu erkunden, sich die Beine zu vertreten oder bei einem Kaffee die Reise einfach bewusst zu geniessen. Die deutsche Schnellladeinfrastruktur erwies sich als zuverlässig, und die Ankunft in Köln war mit dem Gefühl verbunden, dass Elektromobilität keineswegs mit Einschränkungen einhergeht.

2. Etappe: Köln–Norddeich, inkl. Fähre nach Norderney

Mit dem Wind der Nordsee im Rücken ging ich die nächste Etappe an. Je weiter es gegen Norden ging, desto deutlicher wurde die hohe Dichte an Ladepunkten – und die Anzahl an Elektrofahrzeugen. Besonders in der Urlaubsregion um Norddeich waren viele niederländische E-Autos unterwegs, was eine optimistische Perspektive auf die Akzeptanz der Elektromobilität zeigte. Die Fährüberfahrt nach Norderney war eine willkommene Gelegenheit, einmal komplett abzuschalten und die Ferien wirken zu lassen.

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Schnellladestation
Ladeleistung an der Schnellladestation.
Quelle: Cedric Himmelberger
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Schnellladestation
Ladekurve an der Schnellladestation.
Quelle: Cedric Himmelberger

3. Etappe: Norderney–Maastricht

Die Rückreise von der Nordsee führte über mehrere Ladepunkte bis nach Maastricht. Die Niederlande beeindruckten durch ein dichtes Netz an Schnellladesäulen, was den Fahrkomfort hochhielt. Hier zeigte sich besonders deutlich, wie weit die Elektromobilität in nahe gelegenen Ländern bereits vorangeschritten ist.

4. Etappe: Maastricht–Schaffhausen

Der letzte Abschnitt war geprägt von der Gewissheit, dass die Elektromobilität eine echte Alternative für lange Reisen darstellt. Auch bei der restlichen Strecke via Deutschland lief alles reibungslos – und das elektrische Fahren zeigte sich einmal mehr als angenehm leise und stressfrei.

Erfahrungen und Tipps

Meine Reise hat bestätigt: Langstreckenfahrten mit einem Elektrofahrzeug sind nicht nur möglich, sondern bieten auch einen völlig neuen Reisekomfort. Die Ladepausen wurden zu bewussten Erholungspausen, die eine entspanntere Weiterfahrt ermöglichten. Wichtig war eine gute Vorbereitung, insbesondere was die Kenntnis der verschiedenen Ladeanbieter und Tarife betrifft. Dennoch blieb genügend Raum für Spontanität und das Entdecken neuer Orte entlang der Strecke.

Ausblick auf weitere Reisen

Meine Tour hat bewiesen, dass nachhaltiges Reisen keineswegs Verzicht bedeutet. Im Gegenteil: Die Kombination aus Technik, Entspannung und Abenteuer macht das Reisen mit einem Elektroauto besonders reizvoll. Zukünftig stehen weitere Touren an – vielleicht in Regionen mit weniger ausgebauter Ladeinfrastruktur, um herauszufinden, wo die Grenzen der Elektromobilität wirklich liegen. Eines steht aber fest: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch – und voller spannender Möglichkeiten.