Lücken im Ladenetz: Städte hinken hinterher

Das Elektroauto gilt als Schlüssel zur Verkehrswende, doch der Umstieg fällt vielen noch schwer. Ein häufiger Kritikpunkt: Es fehlt an ausreichend und benutzerfreundlichen Ladestationen. Ein genauer Blick auf den aktuellen Stand der Ladeinfrastruktur in der Schweiz zeigt: Während die Autobahnen überzeugen, tun sich die Städte weiterhin schwer.

Laden
Solche Bilder sind in der Schweiz noch selten: Im Gegensatz zum gut ausgebauten Schnellladenetz entlang der Nationalstrassen verläuft der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Städten langsam, unkoordiniert und oft an den Bedürfnissen der Nutzer vorbei.
Quelle: Fastned

Das Sentiment rund um das Elektroauto ist in der Schweiz seit Längerem gespalten, das zeigt auch die hitzige Debatte um die zurückgehaltene Studie des Bundesamts für Energie (siehe Infokasten). Wer dem Elektroauto skeptisch gegenübersteht, nennt gerne Batterieprobleme, hohe Anschaffungskosten oder die unzureichende öffentliche Ladeinfrastruktur als Gründe. Letztere wird häufig kritisiert: nicht immer benutzerfreundlich, zu teuer, zu wenig vorhanden – aber wie steht es wirklich um den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur in der Schweiz?

Nationalstrassen sind gut versorgt

In den Nachbarländern schreibt die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (Afir) der EU vor, dass entlang des Kernnetzes mindestens alle 60 Kilometer eine Lademöglichkeit vorhanden sein muss. Die Schweiz übertrifft diesen Standard deutlich: Derzeit ist an fast allen Raststätten entlang der Nationalstrassen Ladeinfrastruktur entweder bereits vorhanden, im Bau oder konkret geplant – rund die Hälfte davon mit Schnellladern.

Bereits 2019 wurden 100 Rastplätze für den Bau von Schnellladestationen ausgeschrieben. 58 davon sollen bis Ende dieses Jahres realisiert sein, der Rest bis spätestens 2030. Das ergibt heute im Schnitt eine Schnellladestation alle 30 Kilometer, also doppelt so eng getaktet wie von der EU gefordert.

Das Bundesamt für Strassen (Astra) rechnet langfristig sogar mit einem Abstand von nur 10 bis 15 Kilometern zwischen Schnellladestationen. Im Jahr 2024 wurde eine zweite Ausschreibung für 55 weitere Standorte lanciert. Ob alle diese Standorte tatsächlich bebaut werden können, ist derzeit allerdings noch offen.

Städte bleiben das Sorgenkind

Im Gegensatz zum gut ausgebauten Schnellladenetz entlang der Nationalstrassen zeigt sich in den Schweizer Städten ein deutlich ernüchterndes Bild: Der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur verläuft hier langsam, unkoordiniert und oft an den Bedürfnissen der Nutzer vorbei. Das zeigt auch das neu veröffentlichte Gesamtkonzept Elektromobilität der Stadt Zürich: Im April 2023 waren nur etwas über hundert öffentlich zugängliche Ladepunkte vorhanden, davon knapp 20 Schnelllader. Allerdings werden bereits Ladestationen mit einer Leistung von nur 50 kW als Schnelllader gezählt, während bei den Astra-Ausschreibungen und bei Afir mindestens 150 kW vorausgesetzt wurden.

Laut Chargemap hat sich die Lage inzwischen etwas verbessert. Stand Sommer 2025 sind 324 öffentliche Ladepunkte in Zürich verfügbar. Zum Vergleich: Die ähnlich grosse deutsche Stadt Hannover verfügt über 1288 öffentliche Ladepunkte. Angesichts dieser Zahlen stellt sich zwangsläufig die Frage, wie ein solcher Unterschied zwischen urbanen Gebieten und Autobahnen entstehen konnte – zumal sich Elektrofahrzeuge überwiegend in Städten aufhalten und dort am dringendsten auf verlässliche Lademöglichkeiten angewiesen sind.

Ein struktureller Faktor liegt unter anderem in der Zuständigkeitsregelung: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur wird oft von Gemeinden den lokalen Elektrizitätswerken übertragen, deren Hauptkompetenz traditionell nicht im Betrieb von Ladeinfrastruktur liegt. Zudem liegt der Fokus in vielen Fällen auf dem langsameren AC-Laden. Gerade im engen städtischen Raum könnte jedoch das DC-Schnellladen (über 150 kW) aufgrund seines geringen Platzbedarfs und kürzerer Ladezeiten eine wichtige Ergänzung sein. Auch die Stadt Zürich betont in ihrem Konzept, dass begrenzter Raum eine Herausforderung darstellt. Ein ausgewogener Mix aus AC- und DC-Ladestationen könnte hier die vorhandenen Flächen effizienter nutzen.

Ebenso fehlt es vielerorts am politischen Willen. Städte, die den Autoverkehr reduzieren wollen, bremsen den Ausbau der Ladeinfrastruktur häufig bewusst aus – ein Zielkonflikt, der letztlich zulasten der Nutzer geht. Dabei wird oft übersehen, dass trotz des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs auch in der Schweiz viele Menschen regelmässig auf ihr Auto zurückgreifen. Gemäss Bundesamt für Statistik besitzen schlussendlich mehr als drei Viertel der Schweizer Haushalte mindestens ein Auto. Obwohl die Autodichte in ländlichen Regionen höher ist, sammeln sich in den Städten weiterhin eine hohe Zahl an Fahrzeugen an.

Schnellladen
Derzeit ist an fast allen Raststätten entlang der Nationalstrassen Ladeinfrastruktur entweder bereits vorhanden, im Bau oder konkret geplant. Hier zu sehen ein Rastplatz nähe Landquart.
Quelle: Fastned

Recht auf Laden: leider nicht für alle

Zwar wurde kürzlich auf Bundesebene ein Recht auf das Laden zu Hause im Ständerat angenommen, doch in der Praxis hilft dieses Recht wenig, wenn kein eigener Parkplatz vorhanden ist. Allein in Zürich besitzen rund 32 000 Anwohnende eine Parkkarte, was beinahe einem Viertel aller Personenwagen in der Stadt entspricht. Für diese Menschen bleiben öffentlich zugängliche Ladestationen oft die einzige praktikable Lösung. Dies birgt die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft im Rahmen der Verkehrswende: Denn heute gelingt der Umstieg auf Elektromobilität in erster Linie denjenigen, die zu Hause oder am Arbeitsplatz laden können.

Gerade in urbanen Räumen mit hoher Bevölkerungsdichte und begrenztem Platz wäre eine durchdachte, leistungsfähige Ladeplanung dringend notwendig für einen Umstieg auf das Elektroauto, doch bislang fehlt vielerorts der strategische Blick dafür.

Wettbewerb als Motor für Qualität und Innovation

Private Unternehmen zeigen, dass ein professioneller Betrieb von Ladeinfrastruktur die Qualität und Innovationskraft deutlich verbessern kann. Allerdings haben solche Anbieter in urbanen Regionen nach wie vor oft einen erschwerten Zugang, obwohl ein offenerer Wettbewerb entscheidend dazu beitragen könnte, den Ausbau voranzutreiben.

Häufig wird öffentliches Laden fälschlich als reiner Stromverkauf betrachtet, sodass es für Gemeinden naheliegend ist, die lokalen Elektrizitätswerke hiermit zu beauftragen. Nutzer wünschen sich jedoch mehr: einfache und zuverlässige Ladeerlebnisse, unkomplizierte Zahlungsprozesse, Verfügbarkeit der Ladepunkte, Servicequalität und transparente Preise. Ohne echten Wettbewerb wird es schwerfallen, die Elektromobilität tatsächlich breit zu etablieren.

Andere Länder zeigen bereits, dass private Initiativen in Verbindung mit klaren regulatorischen Vorgaben den Ausbau beschleunigen und qualitativ verbessern können. Auch Schweizer Städte sollten den Marktzugang gezielt öffnen – etwa durch technologieoffene Ausschreibungen, Mindestvorgaben zur Nutzerfreundlichkeit und eine Entkopplung von Infrastruktur und Stromverkauf. Nur so entsteht ein echter Wettbewerb um Qualität.

Fazit: Viel erreicht, noch mehr zu tun

Wie steht es also wirklich um die Elektromobilität in der Schweiz? Sicher besser, als es die kritischen Stimmen häufig darstellen. Insbesondere entlang der Autobahnen ist die Ladeinfrastruktur heute überzeugend. In den Städten besteht jedoch nach wie vor erheblicher Nachholbedarf. Um Elektromobilität tatsächlich massentauglich zu machen, braucht es gerade in urbanen Gebieten eine klare, strategische Planung der Ladeinfrastruktur – und vor allem den Willen, die Bedürfnisse der Nutzer ernst zu nehmen. Denn am Ende hilft es wenig, wenn man problemlos auf dem Weg in die Ferien laden kann, zu Hause in der eigenen Nachbarschaft jedoch vergeblich nach einer Lademöglichkeit sucht.

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