Elektroauto laden: Einfaches Zahlen bestimmt den Erfolg
Laden von Elektrofahrzeugen: Die Elektromobilität steht am Wendepunkt – auch in der Schweiz. Die Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge steigen rasant, Gemeinden und Energieversorger investieren in neue Ladeinfrastruktur, und politische Vorgaben wie der CO₂-Absenkpfad setzen den Rahmen für den Wandel.
Mit der Elektrifizierung des Verkehrs entstand ein neues Alltagsproblem, das bislang unterschätzt wurde: Das Bezahlen an der Ladesäule ist heute für viele Autofahrer noch zu kompliziert, unpraktisch und uneinheitlich.
Während das Laden selbst in den letzten Jahren schneller und effizienter geworden ist, bleibt der Bezahlprozess oft fragmentiert – mit zahlreichen Apps, Kundenkarten, QR-Codes und Tarifsystemen. Diese «Zahlungshemmnis» bremst den Erfolg der Elektromobilität unnötig aus. Sie betrifft nicht nur einzelne Fahrer, sondern ist auch ein Risiko für die generelle Akzeptanz der Technologie. Im Gegensatz zur vertrauten Einfachheit des Tankens an einer Tankstelle, wo eine Kreditkarten-Zahlung ausreicht, kann das Laden von Elektrofahrzeugen eine Vielzahl von Apps, Konten und Mitgliedschaften erfordern. Dies ist eine Erfahrung, welche die Fahrer zu oft frustriert und eine breitere Akzeptanz von Electric Vehicles (EVs) erschwert.
Bezahlen beim Laden: ein gesellschaftliches Thema
Der aktuelle Fokus der Schweizer Medien, etwa in der «Tagesschau», zeigt: Der Ausbau der Elektromobilität ist nicht mehr nur ein Nischenthema für Technikaffine oder Umweltbewegte, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Schweiz muss sich fragen, wie der Wandel zur E-Mobilität sozialverträglich, effizient und für alle zugänglich gestaltet wird. Ein wichtiger Aspekt dabei: Nutzerfreundliche, barrierefreie Bezahlsysteme sind der Schlüssel zur breiten Akzeptanz. Wenn nur technikaffine Vielfahrer oder Abonnenten bestimmter Anbieter einfach laden können, bleiben andere auf der Strecke. Spontane Ladevorgänge für Touristen, Gelegenheitsfahrer oder Menschen ohne digitale Affinität müssen genauso einfach möglich sein wie das heutige Tanken an der Zapfsäule.
Zahlungshemmnis als unterschätzte Wachstumsbremse
Aktuell zeigt sich am Markt eine Vielzahl unterschiedlicher Zahlungssysteme. Während man beim Tanken an der klassischen Tankstelle mit Karte oder meist auch mit Bargeld zahlen kann – unabhängig vom Betreiber – benötigen EV-Fahrer oft mehrere Lade-Apps, Kundenkarten (sog. Fobs) oder gar separate Accounts bei verschiedenen Anbietern.
Diese Fragmentierung erschwert den Zugang zur Ladeinfrastruktur und ist einer der Gründe, warum viele potenzielle EV-Kunden mit dem Umstieg auf ein Elektrofahrzeug zögern. Wer in der Stadt, auf dem Land und unterwegs jeweils unterschiedliche Systeme nutzen muss, verliert schnell die Übersicht. Das ist mehr als nur ein Komfortproblem: Es wird zu einem Hemmschuh für den Erfolg der Elektromobilität. Insbesondere die von der EU erlassene AFIR-Verordnung (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) und nationale Vorschriften verlangen deshalb mehr Transparenz, Interoperabilität und Fairness beim Zugang zu Ladepunkten.
Zahlungssystem muss weiterentwickelt werden
Die Anforderungen an Ladezahlungen lassen sich in drei zentrale Bedürfnisse unterteilen:
1. Einfache, nahtlose Nutzererfahrung: Konsumenten sind an Komfort gewohnt – sei es beim kontaktlosen Bezahlen an der Kasse, beim One-Click-Kauf im Online-Shop oder beim Ticketkauf via App. Wer Ladeinfrastruktur anbietet, muss genau diesen Komfort auch beim EV-Laden ermöglichen. Nutzer wollen spontan, einfach und ohne Hürden zahlen – am besten mit Kredit- oder Debitkarte, Smartphone-Wallet oder gespeicherten Zahlungsdaten in einer App. Die Öffentlichkeit erwartet ein reibungsloses Erlebnis, das anderen Aspekten des modernen Handels entspricht. Ob beim Tanken mit Kreditkarte, beim Kauf eines Kaffees mit Smartphone oder beim Berühren einer kontaktlosen Karte im öffentlichen Verkehr, Einfachheit ist nicht mehr verhandelbar.
2. Vertrauen durch Standardisierung: Wenn jedes Ladenetz eigene Anforderungen stellt, leidet das Vertrauen der Fahrer in das System. EV-Fahrer erwarten, dass sie ihr Fahrzeug überall laden können – unabhängig vom Betreiber. Die Schaffung interoperabler Systeme, die verschiedene Zahlungsmethoden unterstützen, ist deshalb unerlässlich. Das Fehlen von Standardisierung gefährdet über Ladenetze hinweg potenzielle EV-Anwender, die das System als unnötig kompliziert empfinden könnten.
3. Zukunftsfähige Skalierbarkeit: Mit dem Marktwachstum müssen auch Zahlungssysteme skaliert werden. Das heisst: Sie müssen neue Zahlungsmethoden integrieren, steigende Transaktionszahlen bewältigen und verschiedene Benutzergruppen bedienen – vom Vielfahrer mit Abo bis zum Gelegenheitsnutzer ohne Erfahrung.
Die drei Hauptkomponenten des Zahlungssystems
Um das Bezahlen beim Laden effizient zu gestalten, müssen verschiedene Elemente ineinandergreifen:
1. Akzeptanzlösungen: Das sind Hardware- und Softwarekomponenten, die Zahlungen ermöglichen – von der Kreditkarte am Terminal bis zur App-basierten Zahlung. Dabei unterscheidet man zwischen Card-Present-Zahlungen (z.B. kontaktloses Bezahlen am Ladepunkt) und Card-Not-Present-Zahlungen (z.B. Eingabe der Kartendaten in App oder auf Website).
2. Gateways: Gateways verbinden die Zahlungsinfrastruktur mit den Finanzsystemen. Sie steuern den Zahlungsfluss, verwalten Terminals und leiten die Transaktionen weiter – sowohl bei physischen als auch bei digitalen Zahlungen.
3. Acquirer: Acquirer sind Finanzinstitute, die Kartenzahlungen im Namen der Ladepunktbetreiber (CPOs) verarbeiten. Sie sorgen dafür, dass die Zahlung korrekt abgewickelt wird – von der Abbuchung beim Kunden bis zur Gutschrift beim Betreiber.
Überblick über aktuelle Zahlungsmodelle beim Laden
1. Das Abo- und Fob-Modell (eCommerce-basiert): Rund 80 Prozent der heutigen Ladevorgänge in Europa erfolgen über dieses Modell. Der Fahrer erhält einen RFID-Fob oder eine Kundenkarte und hinterlegt seine Zahlungsdaten im System des CPO oder eines eMobility Service Providers (eMSP). Die Abrechnung erfolgt pro Ladevorgang oder monatlich, ähnlich einem Streaming-Dienst.
2. Direkte Kartenzahlung (kontaktlos oder mit Chip & Pin): Immer mehr Ladestationen werden mit Kredit- und Debitkartenlesern ausgestattet. Das ermöglicht spontanes Laden ohne Vorregistrierung – ein Prinzip, das dem klassischen Tankstellenmodell ähnelt. In Grossbritannien und der EU sind für öffentliche Schnellladepunkte solche Lösungen bereits vorgeschrieben. In der Schweiz wird dieser Trend auch zunehmen.
3. Konto-zu-Konto-Zahlungen (Account-to-Account): Zahlungen direkt zwischen Bankkonten – z.B. über Systeme wie «Wero» – gewinnen an Bedeutung, haben sich aber noch nicht durchgesetzt. Perspektivisch könnten solche Lösungen helfen, Kosten zu senken und Transaktionen zu vereinfachen.
4. Mobile Wallets und Plug & Charge: Wallets wie Apple Pay oder Google Pay sind heute schon kompatibel mit vielen Ladestationen. Auch «Plug & Charge», basierend auf ISO 15118, ermöglicht automatisierte Zahlungsvorgänge – allerdings mit hinterlegter Debit- oder Kreditkarte.
Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit
Ein Ladeerlebnis ist nur erfolgreich, wenn es den Fahrer nicht mit Hürden konfrontiert. Folgende Punkte sind entscheidend:
Zahlungen müssen auch bei schlechtem Wetter oder schlechten Lichtverhältnissen einfach funktionieren. Der Zugang über kontaktlose Zahlungen, Apps mit hinterlegten Daten oder QR-Codes kann das Erlebnis verbessern.
Systeme müssen zuverlässig sein. Ladepausen sind oft Teil eines straffen Reiseplans. Verzögerungen durch fehlerhafte Zahlungssysteme sind nicht akzeptabel.
Sicherheit ist unverzichtbar. Die Einhaltung von PCI DSS, DSGVO/GDPR und anderen Standards schützt sensible Kundendaten und stärkt das Vertrauen in das System.
In Einklang bringen: Effizienz, Sicherheit, Bequemlichkeit
Die Betreiber von Ladestationen (CPOs) und Zahlungsdienstleister stehen gemeinsam in der Verantwortung, das Lade-Ökosystem benutzerfreundlich zu gestalten. Dazu gehören:
Konsolidierung der Anbieter – Der Einsatz von Full-Stack-Zahlungsanbietern, die PSP, Gateway und Acquiring kombinieren, kann Prozesse verschlanken und Kosten reduzieren.
Fokus auf Benutzerfreundlichkeit – Intuitive Lösungen wie One-Click-Zahlungen oder kontaktlose Terminals verbessern das Ladeerlebnis.
Investitionen in Sicherheit und Compliance – Moderne Verschlüsselung, Zwei-Faktor-Authentifizierung und regelmässige Audits sind notwendig, um die wachsenden Sicherheitsanforderungen zu erfüllen.
Zahlungssystem ausschlaggebend für Erfolg
Der Ausbau der Elektromobilität ist mehr als eine Frage der Ladepunkte. Es geht um Alltagstauglichkeit und soziale Teilhabe. In der Schweiz wie auch in der EU wird der Erfolg der E-Mobilität davon abhängen, ob der Zugang zur Ladeinfrastruktur so einfach und selbstverständlich wird wie heute das Bezahlen an der Tankstelle. Ein nutzerfreundliches, sicheres und interoperables Zahlungssystem ist dafür keine Randnotiz, sondern ein zentrales Element der Energiewende. Jetzt ist der Zeitpunkt, um diese Systeme aufzubauen – bevor der Markt skaliert. Nur so kann die E-Mobilität ihr Potenzial entfalten.